Ein Phänomen das ich lange nicht wahrgenommen habe, ist, dass viele Yoga Praktizierende echte Schwierigkeiten mit dem Sonnegruß haben, die über die physischen Anforderungen hinausgehen – sie können sich den Ablauf einfach nicht merken.
In der Tat kommen Schüler, die bereits wochenlang schon keine Anfänger mehr sind zu mir und vertrauen mir in einem stillen Moment an, dass sie sich den Ablauf bei bestem Willen nicht behalten und jedes Mal erneut darauf angewiesen sind, zu sehen, was der Lehrer oder einer der anderen Praktizierenden macht.
Abgesehen davon, dass das die Gefahr birgt, von jemandem, der sich die Reihenfolge der Bewegungen ebenfalls nicht merken kann, abzugucken, stören das Gucken und Kopieren den Fluss des Sonnengrußes und gerade dieser nahtlos dynamische Bewegungsablauf ist das, was den Sonnengruß so wertvoll macht.
Ohne hier angeben zu wollen, war meine Reaktion das erste Mal als ein Schüler mit diesem Problem zu mir kam (und eine Privatstunde für die Erläuterung des Sonnengrußes buchen wollte) völliges Unverständnis, wie man den Ablauf des Sonnengrußes nicht verstehen kann.
Ich verstehe ehrlich gesagt auch heute noch nicht, wie man Surya Namaskar nicht verstehen kann denn er ist auf einem absolut simplen Prinzip aufgebaut:
Alles was vor geht, geht auch zurück.
Wir tanzen nicht und die Matte wird nicht verlassen, daher ist es nur logisch, dass nach einer Rückbeuge (einatmen) eine Vorbeuge (ausatmen) kommt und keine Pirouette.
Man kann sich die Bewegung des Sonnengrußes wie das erweiterte Pumpen des Blasebalgs eines Schmieds vorstellen, ein Bild das auch zur Verdeutlichung des Ujjayi Breaths benutzt wird.
Genauso wie der „Siegreiche Atem“ soll der Sonnengruß den Körper aufwärmen und geschmeidig machen, so wie der Schmied das Feuer schürt, welches das Metall weich und bearbeitbar macht.
Wenn man einmal verinnerlicht hat, dass der gemeinsame Kern aller Sonnengrußvariationen dieses abwechselnde Vor- und Zurückbeugen der Wirbelsäule ist (angereichert durch Chaturangas, Schritte, etc, aber das Grundprinzip bleibt immer dasselbe), dann erschließt sich auch die Atemreihenfolge, ein weiterer Stolperstein für viele, eigentlich von selbst. Wenn wir den Oberkörper öffnen (Rückbeuge) atmen wir, außer der Brustkorb ist aus irgendeinem Grund blockiert, ganz von selbst ein, genauso wie eine Vorbeuge automatisch die Luft aus den Lungen presst.
Nimm, lieber Leser, wenn Du dich in dem obigen Problem wiedererkennst, eine Minute die Zeit und verinnerliche dieses Bild des Blasebalgs, zu dem dein Körper wird. Je weiter man die einzelnen Positionen ausführen kann, desto klarer wird der Vergleich.
Der nächste Schritt besteht darin, den Sonnengruß „Atem basiert“ auszuführen, die technischen Feinheiten der Bewegungen auszulassen, und sich komplett auf diesen Wechsel Einatmung/Ausatmung Rückbeuge/Vorbeuge zu konzentrieren.
Wenn das einmal funktioniert und das Prinzip klar ist, hat man den Sonnengruß verstanden.
Dann ist es wichtig, das Bild vom Blasbelag komplett zu vergessen und Surfen zu gehen. Dazu mehr im Post „Auf dem Sonnengruß surfen“
